Sonntag, 28. Juni 2009

Ultimo-Beitrag Juli

Wer hat an der Zeit gedreht...?

Immer öfter wandern meine Gedanken nach hause. Meine Zeit in Indien neigt sich dem Ende zu und die letzten Tage zerschmelzen wie Eis in der indischen Sonne. Plötzlich stehen all die Sachen an, die ich im letzten Jahr mit den Worten „ach, das mach ich, bevor ich nach hause fahre“ aufgeschoben habe. Natürlich hätte ich früher anfangen können, mit meinen Vorbereitungen, aber warum sollte etwas, was ich seit Jahren an Weihnachten versuche, hier in Indien funktionieren? „Rechtzeitig anfangen“ und „Zeitmanagement“ sind hier wie immer die Zauberworte, aber erstens hatte ich es noch nie so mit der Zauberei, das überlasse ich lieber Harry Potter, und zweitens heißt „rechtzeitig“ doch eigentlich nicht viel mehr, als „zur rechten Zeit“ und sagt nichts darüber aus, dass am Ende nicht doch alles in Hektik ausartet. Und schließlich sind die letzten Tage vor der Abreise doch genau die richtige Zeit dafür, noch schnell Erinnerungsfotos zu schießen, Mitbringsel zu kaufen, die letzten Briefe zu verschicken, etc. Und wenn das bedeutet, dass ich in den nächsten Tagen tausend Dinge gleichzeitig erledigen muss, dann ist das eben so. Wenigstens bleibt mir dann nicht allzu viel Zeit zum Trübsal blasen. Denn auch wenn ich mich wirklich darauf freue, wieder nach Deutschland zurück zu kehren, so fällt es mir doch schwer, Indien zu verlassen. In den vergangenen Monaten habe ich hier ein zu hause gefunden, das mir ans Herz gewachsen ist und das Leben in Lübeck wird eine große Umstellung für mich sein. Keine gelb-schwarzen Rickshaws, keine Kühe auf der Straße, keine 24/7 Beschallung aus den Lautsprechern diverser Tempel, Moscheen und Kirchen, keine Mangos aus dem Garten. Dafür so exotische Dinge wie Erdbeeren mit Sahne, ein geregelter Straßenverkehr und dazu kühle 23 °C. Doch bis es soweit ist, gibt es noch viele Dinge, die ich bald zum letzten Mal tun werde: Mit den Kindern im Kindergarten spielen, mir von den Mädchen unverständliche Tamil-Songs beibringen lassen, mich in meinem Sari verheddern...

Doch die Welt ist groß und es gibt noch viele andere Orte, die es kennen zu lernen gilt. Leider kann ich mich nicht zerteilen, so dass ich in meinem Leben bestimmt noch viele weitere Male Abschied nehmen muss. Und so lange sich Abschiedsschmerz und Vorfreude die Waage halten, will ich mich nicht beschweren. Außerdem wird es eindeutig Zeit, dass ich nach Hause komme, schließlich darf ich als Kind dieser Küste die Travemünder Woche nicht verpassen.

Mittwoch, 3. Juni 2009

Hallo liebe Leser,
nun ist der Mai auch schon wieder herum. Meine Zeit in Mirjams Projekt in Pandur war großartig. Die Managerin ist ein Engel und Miri und ich hatten wie immer viel zu lachen. Besonders im Kontrast zum üblichen Verhalten der indischen Mädchen war es wahrscheinlich wirklich auffällig, dass wir immer lachend und kichernd durchs Dorf marschiert sind. Aber egal, lachen ist gesund und schließlich können wir nichts dafür, dass indische Mädels immer so einen gesitteten und wohlerzogenen Eindruck machen. :)
Am 29.05. habe ich mich dann auf den Heimweg nach Mayiladuthurai gemacht. Die Fahrt war lang, aber ereignislos. Zuerst ging es mit einer Sammel-Rickshaw von Pandur nach Tiruvallur. Dort sind wir dann in den Bus nach Chennai gestiegen. Am Central Busstand dort war dann großes Verabschieden angesagt, denn von da aus habe ich meine Reise alleine fortgesetzt und Miri ist zurück nach Tiruvallur gefahren. Von Chennai aus bin ich dann 8 Stunden durch die Pampa geschaukelt, bevor ich dann gegen 22.30 Uhr endlich wieder in meinem Projekt eingetrudelt bin. So hat die Fahrt incl. aller Wartezeiten geschlagene 11 Stunden gedauert. Ich sag ja immer: Indien ist groß.

Seit Montag arbeite ich wieder im Kindergarten, im dritten, den die TELC hier betreibt. Das ist noch mal eine schöne Abwechslung, denn die Kinder sind nochmal ganz anders als in Anbumalar, wo ich im April gearbeitet habe. Die Kinder sind sehr viel stiller und es gibt weniger Gezanke. Außerdem wird von den Betreuerinnen nicht die ganze Zeit Programm gemacht, sondern die Kinder spielen auch ohne das Eingreifen der Kindergärtnerinnen ganz wunderbar miteinander.

Einer der Hauptgründe, weshalb ich schreibe, ist aber folgender: Seit heute Morgen hat das Ladekabel meines Handys den Geist aufgegeben. Das heißt, mein treuer Begleiter taugt nun zu nicht viel mehr als zum Briefbeschwerer. Zuerst war ich so wütend, dass ich Kabel und Telefon am liebsten an die Wand geschmissen hätte, aber mittlerweile nehme ich das ganze sportlich. Ich habe schon immer befürchtet, dass ich viel zu abhängig von meinem geliebten Mobiltelefon bin. Jetzt bietet sich mir also die ultimative Gelegenheit, (hoffentlich) das Gegenteil heraus zu finden. Und außerdem bin ich in Abenteuerlaune. Da ich allerdings nicht auf so extremes Zeug stehe, wie einbeinig durchs Himalaya zu klettern, oder dergleichen, werde ich mich damit begnügen, die kommenden Wochen ohne Handy aus zukommen. Ehrlicherweise muss ich dazu sagen, dass das in Indien nicht sonderlich schwer sein dürfte. Sollte ich wirklich mal ein Telefon brauchen, hat so gut wie jeder Inder ein Handy, welches er mir sicher mit Freude leihen wird und sollte das nicht klappen, so kommt mir der Mangel an privaten Festnetz-Leitungen zu Gute. Dadurch, das kaum ein Haushalt ein eigenes Telefon besitzt, gibt es alle 10-20 m öffentliche Telefonapparate. An Busbahnhöfen ebenso wie im hinterletzten Dorf. Ich gehe also nicht wirklich ein Risiko ein, wie es sich für ein richtiges Abenteuer gehören würde, sondern verzichte lediglich auf die Möglichkeit, jederzeit irgendwen anzurufen, nur weil mir grad langweilig ist.
Ich bin natürlich auch weiterhin per Mail zu erreichen und freue mich auch ohne Handy immer, von Euch zu hören.